Ab 1. Juli 2024 übernimmt die obligatorische Krankenversicherung die HIV-PrEP – unter bestimmten Bedingungen. Das hat Auswirkungen auf Versorgung und Kosten.

Konkret beginnt am 1. Juli 2024 eine Evaluation für die Übernahme der Kosten für die HIV-PrEP durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP). Diese Überprüfung ist auch Teil des nationalen Programms (NAPS) mit dem Ziel, dass es bis 2030 zu keinen neuen HIV-Übertragungen mehr kommt.

Mit der Evaluation prüft das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) bis Dezember 2026, ob die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllt sind – und ob die HIV-PrEP dauerhaft in den Leistungskatalog der OKP kommt.

Diese Evaluation geschieht im Rahmen des bereits bestehenden SwissPrEPared-Netzwerkes. Das heisst: Nur Anbieter, die sowohl bei SwissPrEPared assoziiert wie auch Leistungserbringer gemäss OKP sind, werden die HIV-PrEP ab 1. Juli 2024 über die Krankenkassen abrechnen können.

Für welche Personen werden die Kosten übernommen?

Sie müssen zu einer der drei folgenden Gruppen gehören (gemäss Verordnung des Bundes):

  1. Männer (cis & trans) sowie trans Frauen, die mit Männern Sex haben, und mindestens 1 der folgenden Kriterien erfüllen:
    • Ich habe Analsex ohne Kondom.
    • Ich möchte Analsex ohne Kondom haben.
    • Ich hatte eine STI-Diagnose in den letzten 12 Monaten.
    • Ich hatte eine HIV-PEP in den letzten 12 Monaten.
    • Ich konsumiere Substanzen zum Sex.
       
  2. Menschen, die Sex ohne Kondom mit Personen aus einer der folgenden Gruppen haben:
    • Männer (cis & trans) sowie trans Frauen, die mit Männern Sex haben
    • Sexarbeiter:innen aus Ländern mit erhöhter HIV-Prävalenz in der Gesamtbevölkerung
       
  3. Menschen, die Sex ohne Kondom mit Partner:in haben, die mit HIV lebt und deren Viruslast nicht unter der Nachweisgrenze liegt.

Weiterhin möglich sind Angebote, bei denen Klient:innen die Kosten komplett selbst tragen. Es gibt Klient:innen, die darauf angewiesen sind – zum Beispiel, weil sie keine Krankenversicherung haben oder dies beispielsweise aus Sorge vor einem Outing nicht wünschen. Allerdings ist es in den meisten Fällen für Klient:innen finanziell nachteilig, wenn sie die HIV-PrEP nicht über die OKP abrechnen.

Häufige Fragen:

Informieren Sie sich jetzt: Was sind die Konsequenzen für mich? Wie kann ich PrEP über die Krankenkasse abrechnen?

Was sind die Bedingungen für eine Kostenübernahme?

Die Kostenübernahme hat vier Voraussetzungen: 

  1. Sie sind in der Schweiz krankenversichert.
  2. Sie erfüllen die Kriterien zur Kostenübernahme und gehören zu einer berechtigten Gruppe.
  3. Ihre medizinische Fachperson ist bei SwissPrEPared.
  4. Ihre medizinische Fachperson ist berechtigt, über die Krankenkassen abzurechnen.

Meine ärztliche Fachperson ist nicht bei SwissPrEPared. Was kann ich tun?

Falls Ihre ärztliche Fachperson nicht bei SwissPrEPared dabei ist, gibt es drei Möglichkeiten: 

  1. Ihre Fachperson schliesst sich SwissPrEPared an. Alle Infos dazu finden sich online.
  2. Sie bleiben bei Ihrem Arzt, bezahlen aber die gesamten Kosten selbst ohne Abrechnung über die Krankenkasse.
  3. Sie wechseln zu einem SwissPrEPared-Zentrum. Für Personen mit Hausarztmodell, Telemedizin oder ähnlichen Modellen braucht es dazu eine Dauerüberweisung.

Ich gehöre zu keiner der drei berechtigten Gruppen. Soll ich PrEP nehmen?

PrEP kann individuell sinnvoll sein – besprechen Sie sich mit einer Fachperson. In diesem Falle müssen Sie aber die Kosten vollständig selbst übernehmen.

Was kostet PrEP?

Die Kosten für PrEP setzt sich zusammen aus den Kosten für das Medikament, die medizinischen Leistungen und für die Analysen im Labor. 

Sie belaufen sich bei täglicher PrEP-Einnahme auf etwa 2'000-2'500 Franken pro Jahr. Diese Kosten werden – abzüglich der Kostenbeteiligung – von der Krankenkasse übernommen.

Ist PrEP komplett kostenlos für mich?

Wie bei allen medizinischen Leistungen in der Schweiz fallen Kosten an. Diese werden auch bei PrEP geltend gemacht. Die Kostenbeteiligung besteht aus drei Teilen:

  1. Prämie: Sie bezahlen einen monatlichen Beitrag. Die Höhe der Prämie hängt von diversen Faktoren (z. B. Wohnort) ab. Prüfen Sie, ob Sie in Ihrem Wohnkanton Anspruch auf Prämienverbilligung haben.
  2. Franchise: Sie können jährlich wählen, wie viel Sie selbst bezahlen, bevor die Krankenkasse übernimmt. Sie können zwischen 300 und 2'500 Franken wählen. Je höher diese Franchise, desto tiefer Ihre monatliche Prämie.
  3. Selbstbehalt: Sobald Sie Ihre Franchise abbezahlt haben, werden Ihnen fortlaufend 10% Ihrer Gesundheitskosten verrechnet –bis zum maximalen Betrag von 700 Franken pro Jahr.

Soll ich meine Krankenkasse wechseln?

Nein. HIV-PrEP wird durch die Grundversicherung übernommen und muss damit, wenn Sie die Voraussetzungen erfüllen, von jeder Krankenkasse bezahlt werden.

Soll ich meine Franchise anpassen?

Vielleicht. Oft ist die tiefste Franchise finanziell sinnvoller: HIV-PrEP in der täglichen Einnahme verursacht bereits Gesundheitskosten von bis zu CHF 2'500. Sobald noch weitere Kosten dazu kommen, z. B. eine STI-Behandlung, Psychotherapie oder eine Lungenentzündung, lohnt sich finanziell die tiefste Franchise für Sie – auch wenn die monatliche Prämie dann höher ist.

Wählen Sie in jedem Fall entweder die tiefste (CHF 300) oder die höchste (CHF 2'500) Franchise, alles dazwischen ist finanziell nachteilig. Sie können die Franchise jeweils bis am 30. November für das nächste Jahr anpassen.

Ich möchte PrEP ohne Krankenkassenabrechnung erhalten. Was kann ich tun?

Das ist grundsätzlich möglich. Allerdings bieten nicht alle Ärzt:innen die Möglichkeit zur Selbstzahlung.

Ich bin in der Schweiz nicht krankenversichert. Was kann ich tun?

Das ist eine schwierige Ausgangslage. Grundsätzlich ist es in der Schweiz obligatorisch, eine Krankenversicherung abzuschliessen.

Falls Sie bei einer Krankenversicherung im Ausland versichert sind, können Sie abklären, ob diese die Kosten für PrEP in der Schweiz übernimmt.

Sie können die Kosten für PrEP komplett selbst bezahlen.

In einigen Städten gibt es auch spezialisierte Gesundheitsangebote für Menschen ohne Krankenversicherung.

Für Sans Papiers gibt es Beratungsstellen zum Thema Krankenversicherung.

Für Sexarbeitende gibt es bei einigen Fachstellen für sexuelle Gesundheit besondere Konditionen.

Ich bin über meine Eltern krankenversichert. Ich möchte nicht, dass meine Eltern erfahren, dass ich PrEP nehme. Was kann ich tun?

Das ist im Schweizer System schlecht gelöst. Aber es gibt durchaus Möglichkeiten, dass Ihre Eltern nicht davon erfahren. Krankenkassen sind gesetzlich verpflichtet – Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht gilt auch gegenüber den eigenen Eltern.

Lassen Sie sich bei einer Fachstelle für sexuelle Gesundheit anonym und kostenlos beraten – wir können auch bei einem Gespräch mit den Eltern unterstützen.

Muss ich bei SwissPrEPared teilnehmen, damit meine PrEP über die Krankenkasse bezahlt wird?

Nein, Ihre Teilnahme bei SwissPrEPared hat keinen Einfluss auf die Abrechnung der PrEP. Es können aber nur Arztpraxen, Spitäler oder Gesundheitszentren abrechnen, die bei SwissPrEPared assoziiert sind.

Wenn meine PrEP von der Versicherung übernommen wird: Wissen dann alle, wie oder mit wem ich Sex habe?

Ihre persönlichen Daten, die bei SwissPrEPared erfasst werden, werden nicht weitergegeben.

Allerdings kann die Krankenkasse bei Ihrer ärztlichen Fachperson für die Kostenübernahme nachfragen, ob Sie zu einer der qualifizierten Personengruppen gehören – und zu welcher. Solche medizinischen Angaben dürfen nur an den vertrauensärztlichen Dienst weitergegeben werden. Die Krankenversicherung erhält lediglich die Information, dass Sie PrEP einnehmen.

Meine Krankenkasse wird über den Sozialdienst (odhttps://aids.ch/angebote/fuer-menschen-mit-hiv/rechtsberatung/#entry:11866@1:urler eine andere Behörde) verwaltet. Erfahren sie davon, dass ich PrEP nehme?

Ja, denn der Sozialdienst zahlt Rechnungen nur mit Beleg – und auf der Abrechnung steht der Name des Medikaments. Diese Information darf aber unter keinen Umständen verwendet oder weitergegeben werden. Sie ist datenschutzrechtlich streng geschützt. Bei Unklarheiten oder Problemen steht die Rechtsberatung der Aids-Hilfe Schweiz zur Verfügung.

Ich bin minderjährig (jünger als 18). Kann ich die PrEP erhalten?

Ja. Die PrEP kann von Ärzt:innen verschrieben werden im sogenannten Off-Label-Use. Aber die Krankenkasse übernimmt die Kosten der Medikamente bei einem Off-Label-Use nicht.

Ich bin im Militärdienst und damit über die Militärversicherung krankenversichert. Wird die PrEP übernommen?

Das ist aktuell durch den Rechtsdienst der Aids-Hilfe Schweiz in Abklärung (Stand vom 30. April 2024).

Ich habe eine Franchise von 2'500 Franken, denn ich kann mir die monatliche Prämie bei einer Franchise von 300 Franken nicht leisten. Was kann ich tun?

Die Gesundheitskosten sind für viele Menschen in der Schweiz eine grosse Belastung.

Prüfen Sie unbedingt, ob Sie in Ihrem Wohnkanton Anspruch auf Prämienverbilligung haben. Insbesondere, wenn sie weitere Gesundheitskosten haben werden, lohnt sich finanziell eine tiefe Franchise – auch wenn die monatliche Belastung höher ist.

Meine Krankenkasse weigert sich, die Kosten (ganz oder teilweise) zu übernehmen. Was kann ich tun?

Die verschreibenden Ärzt:innen müssen mit Ihrer Krankenkasse in Kontakt treten und mittels Schreiben auf die Indikation und die gesetzliche Verpflichtung zur Kostenübernahme hinweisen.

Bei Uneinigkeit kann die Ombudsstelle Krankenversicherung weiterhelfen.

Wenn das nicht gelingt, sollen sich Ärzt:innen an den Rechtsdienst der Aids-Hilfe Schweiz wenden.

Häufige Fragen von Fachpersonen

Bereiten Sie sich jetzt darauf vor: Damit Ihre Klient:innen PrEP über die Krankenkasse abrechnen können und unterbruchsfrei vor HIV geschützt sind.

Was bedeutet diese Entscheidung für die PrEP-Verfügbarkeit in der Schweiz?

Um PrEP über die Krankenkasse zu erhalten, müssen PrEP-Nutzer:innen ab Juli 2024 ein SwissPrEPared-Zentrum aufsuchen. Die Nutzer:innen müssen jedoch weder am SwissPrEPared-Programm oder an der Studie teilnehmen.

Es gibt einige Regionen in der Schweiz, in denen durch diese Veränderung keine PrEP mehr verfügbar sein wird. Zusätzlich gibt es, vermutlich insbesondere in den Städten, auch einige Haus- und andere Ärzt:innen, die heute PrEP verschreiben, aber nicht bei SwissPrEPared assoziiert sind.

Es kann zu einer erhöhten Nachfrage kommen. Bereiten Sie sich darauf vor. Entscheidend ist, dass der Zugang zu PrEP unterbruchsfrei gewährleistet ist, auch für Klient:innen, die zu Ihnen gewechselt haben. Helfen Sie mit, damit es zu keinen Versorgungsproblemen kommt.

Meine Praxis oder Klinik ist heute nicht bei SwissPrEPared assoziiert. Kann ich teilnehmen?

Ja. Zentren, die an interessiert sind, wenden sich möglichst rasch an SwissPrEPared.

Von neuen Zentren wird erwartet, dass sie ein bestimmtes Minimum an Patient:innen einschliessen. Hausärzt:innen mit einer kleinen Anzahl von PrEP-Nutzern wird empfohlen, Überweisungen an SwissPrEPared-Zentren auszustellen.

Sollen wir weiterhin PrEP anbieten, die selbst bezahlt wird?

Unbedingt. Idealerweise bieten Sie PrEP sowohl auf Abrechnung über OKP wie auf eigene Rechnung an. Es wird Klient:innen geben, die aus persönlichen, finanziellen oder rechtlichen Gründen nicht über OKP abrechnen können oder wollen. Es ist wichtig, dass ihnen die PrEP weiterhin zur Verfügung steht.

Wird das Originalpräparat (Truvada®) oder ein Generikum von der Versicherung erstattet? Zu welchem Preis?

Das wissen wir noch nicht (Stand vom 30. April 2024). Die Krankenversicherung übernimmt nur die Kosten für diejenigen Medikamente, die auf der Spezialitätenliste aufgeführt sind. Dort ist auch der Höchstvergütungspreis festgelegt.

Die heute bestehende Vereinbarung zwischen SwissPrEPared und dem Pharmaunternehmen Gilead (vergünstigtes Truvada®) wird per 30. Juni 2024 beendet.

Kann PrEP auch durch nicht-ärztliche Fachpersonen abgerechnet werden?

Ja. Medizinische Konsultationen können an «Hilfspersonen» delegiert werden. Die ärztlich verantwortliche Person muss aber sowohl räumlich wie zeitlich vor Ort und persönlich verfügbar sein.

Für die Möglichkeit, über die OKP abzurechnen, muss ein Anbieter als Leistungserbringer berechtigt sein. Eine Assoziierung bei SwissPrEPared ist dafür nicht ausreichend. Die Regelungen dazu sind kantonal verschieden.

Was gilt es, bezüglich Datenschutzes zu beachten?

Sexuelle Gesundheit und Sexualität sind in der ärztlichen Praxis bis heute stark stigmatisierte Themen. Insbesondere sexuelle Minderheiten haben bis heute grosse Herausforderungen bezüglich Vertrauens, Zugang und Ressourcen im Gesundheitssystem, das zeigen auch jüngste Studien des BAG.

Deshalb ist es entscheidend, dass Fachpersonen ein verlässliches, vertrauensvolles und geschütztes Klima schaffen. Beispielsweise junge Erwachsene, die noch über die Krankenkasse der Eltern versichert sind, müssen beispielsweise darüber aufgeklärt werden.

Es kann aber vorkommen, dass die Krankenversicherungen nach Begründungen für die Kostenübernahme verlangen. Formal sollte nur der vertrauensärztliche Dienst der Versicherung diese Möglichkeit haben. In der Praxis werden Sie aber oft von anderen Abteilungen kontaktiert. Diesen Personen sollten Sie niemals höchstpersönliche Daten zu sexuellem Verhalten geben. Bitten Sie darum, dass der vertrauensärztliche Dienst einen schriftlichen Antrag auf Begründung der Leistung stellt.

Übermitteln Sie in diesem Falle aber keinesfalls die gesamte Anamnese, sondern nur gerade so viel wie nötig, um die Kostenübernahme zu begründen.

Wo erfahre ich mehr zu medizinischen Aspekten der PrEP?

Die Guidelines der PrEP wurden aktualisiert und werden demnächst im Bulletin des BAG veröffentlicht (Stand vom 30. April 2024). Bei weitergehenden Fragen ist der infektiologischen Konsiliardienst im Spital in Ihrer Region die richtige Anlaufstelle.